13. Februar 2019

Zur Eröffnung der BIOFACH:

Podiumsdiskussion „Wahre Kosten: Marktverzerrungen zu Ungunsten des Ökolandbaus, Diskussion mit Politik, Wissenschaft und Lebensmittelhandel“

MÜNCHEN/NÜRNBERG. Kosten, die keiner kennt. Zum Auftakt der BIOFACH Messe in Nürnberg geht es in der heutigen Podiumsdiskussion um „Wahre Kosten: Marktverzerrungen zu Ungunsten des Ökolandbaus, Diskussion mit Politik, Wissenschaft und Lebensmittelhandel“.

Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Jan Bock (Lidl), Dr. Tobias Gaugler (Universität Augsburg) sowie Verena Rohrer (Svizra AgriCultura) diskutieren – basierend auf den aktuellen Ergebnissen der Studie „How much is the dish – was kosten uns Lebensmittel wirklich?“ – über die marktwirtschaftlichen Konsequenzen der versteckten und nicht eingepreisten Umweltfolgekosten der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion sowie der sich daraus ableitenden Verantwortung für Wissenschaft, Politik und Handel.

Die Studie „How much is the dish – was kosten uns Lebensmittel wirklich?“, erstellt von Wissenschaftlern der Universität Augsburg im Auftrag der Tollwood GmbH für Kultur- und Umweltaktivitäten und der Schweisfurth Stiftung, evaluierte verursachergerecht externe Kosten der deutschen Landwirtschaft.

STATEMENTS

Dr. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag: „Die Preise lügen. Die Agrarindustrie nutzt vor allem die mangelnden gesetzlichen Vorgaben, um Kosten auf die Gesellschaft abzuwälzen. Es ist vor allem die Verantwortung der Bundesregierung, dies zu ändern – z.B. durch deutlich strengere Pestizidgesetze oder Vorgaben, um Wasser vor Güllefluten zu schützen. Verbraucher*innen müssten sich dabei sicher sein können, dass die Preise, die sie bezahlen fair sind – fair für die Umwelt, fair im Sinne des Tierschutzes und fair für die Bäuerinnen und Bauern, die noch zu häufig das schwächste Glied in der Handelskette sind.“

Jan Bock, Einkaufschef von Lidl Deutschland, sagt: „Wir wollen Bio in die Mitte der Gesellschaft bringen.“

Verena Rohrer, Mitglied des Vorstandes von Svizra AgriCultura, Vorsitzende der Geschäftsleitung Bio Partner Schweiz AG: „Bio-Lebensmittel zeichnen sich nicht nur durch ein Label aus. Dazu gehört eine authentische Grundhaltung und eine Wertschätzung von allen, den Produzenten, Verarbeitern, Großhändler, Gastronomen, Fachhändlern und Konsumenten.“

Dr. Tobias Gaugler von der Universität Augsburg fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: „Für viele negative Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen, die sich aus der Produktion von Lebensmitteln ergeben, kommen aktuell weder die Landwirtschaft noch die Konsumenten auf. Die hiermit verbundene Preis- und Marktverzerrung stellt – ökonomisch gesprochen – eine Form von Marktversagen dar, der es mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu begegnen gilt. Ausgehend von unseren Ergebnissen und dem ‚polluter pays principle‘ der UN folgend müssten insbesondere Produkte aus konventioneller Nutztierhaltung deutlich mehr kosten, also dies aktuell in Deutschland der Fall ist.“

Dr. Niels Kohlschütter, Geschäftsführer der Schweisfurth Stiftung, kommentiert die Studie: „Für eine enkeltaugliche Landwirtschaft braucht es einen Paradigmenwechsel. Um diesen vollziehen zu können braucht es die passenden Werkzeuge. Eines der besten Werkzeuge ist die Kalkulation der „wahren Kosten“ (true cost accounting), die externe Effekte wie die Zerstörung des Naturkapitals und die Gesundheit der Menschen mit einbezieht. “

Stephanie Weigel, Bereichsleitung Mensch und Umwelt der Tollwood GmbH: „Es kann nicht angehen, dass die Kosten für ökologische Schäden bei der Lebensmittelproduktion von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen. Die Sensibilität der Verbraucher für nachhaltig erzeugte Lebensmittel ist massiv gestiegen. Solange Lebensmittel nicht mit ihrem wahren Preis ausgezeichnet sind, werden die Verbraucher getäuscht. Denn ausgezeichnet mit dem wahren Preis würden viel mehr Menschen zu Bio-Produkten greifen, die dann kaum mehr teurer wären als konventionell erzeugte.“

Über die Studie

„How much is the dish – was kosten uns Lebensmittel wirklich?“

Die Studie der Universität Augsburg entlarvt die „versteckten Kosten“, die durch drei maßgebliche Umweltbelastungen – Stickstoff, Treibhausgas-Emissionen und Energieverbrauch – bei der Produktion von Lebensmitteln entstehen, die derzeit aber nicht in die Marktpreise für Lebensmittel einbezogen werden. Sie offenbart eine erhebliche Fehlbepreisung und damit Marktverzerrung durch die Preisdifferenz, die zwischen den aktuellen Erzeugerpreisen und den wahren Kosten liegt:

Die höchsten externen Folgekosten und damit größten Fehlbepreisungen gehen mit der Produktion konventionell hergestellter Produkte tierischen Ursprungs einher: Diese müssten auf Erzeugerebene dreimal so teuer sein, als derzeit bepreist (196 % Aufschlag auf die Erzeugerpreise). Die zweithöchsten Aufschläge müssten für konventionell hergestellte Milchprodukte (96 %) und die niedrigsten für Bio-Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs (6 %) erfolgen.

Bei tierischen Produkten ist die Höhe der externen Kosten und Preisaufschläge insbesondere durch die energieintensive Aufzucht der Nutztiere zu erklären. Dazu zählen Futtermittelanbau, Beheizung und Belüftung der Ställe sowie der Metabolismus der Tiere. Diese Faktoren führen unter anderem zu einer bedeutend höheren Austragung von reaktivem Stickstoff und Treibhausgasen sowie einem höheren Energiebedarf als bei pflanzlichen Produkten. Demnach ist der größte Anteil der Preisaufschläge jeweils auf den Treiber Stickstoff zurückzuführen, gefolgt von Treibhausgasen und Energie.

Im Vergleich konventioneller mit ökologischen Produktionspraktiken führen vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger beim Pflanzenanbau sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter bei der Nutztierhaltung in allen untersuchten Lebensmittelkategorien zu geringeren externen Kosten und Preisaufschlägen für ökologische Produkte.

Bereits 2016 hatte die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Märkte für Menschen“ der Universität Augsburg im Auftrag des von Tollwood initiierten Aktionsbündnisses „Artgerechtes München“ eine Studie erstellt, die die Folgekosten aufgrund von Antibiotikaresistenzen und Nitrat-/Stickstoffbelastung berechnet hatte.

Beide Studien können unter [email protected] angefordert werden.

Referenten Biofach Messe Nürnberg 2019

Jan Bock Geschäftsleiter Einkauf Lidl Dtl Biofach 2019 Referent

JAN BOCK, LEITER EINKAUF DER LIDL DIENSTLEISTUNG GMBH & CO. KG

Referent Tobias Gaugler Biofach 2019

TOBIAS GAUGLER, WISSENSCHFTL. ASSISTENT AM INSTITUT FÜR MATERIALS RESOURCE MANAGEMENT UNI AUGSBURG

Foto: photoreque GmbH

Referent Toni Hofreiter Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag / B90 / Die Grünen

ANTON HOFREITER, FRAKTIONSVORSITZENDER IM DEUTSCHEN BUNDESTAG / B90/DIE GRÜNEN

Foto: Stefan Kaminski

Referentin Verena Rohrer Biofach 2019

VERENA ROHRER,MITGLIED DES VORSTANDES VON SVIZRA AGRICULTURA, VORSITZENDE DER GESCHÄFTSLEITUNG BIO PARTNER SCHWEIZ AG

Foto: Joel Koch

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