Industrielle Massentierhaltung – zu welchem Preis?

Versteckte Kosten in der industriellen Landwirtschaft – Studie der Universität Augsburg gibt Aufschluss

Die vom Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ bei der Universität Augsburg in Auftrag gegebene Studie „Monetarisierung externer Effekte in der Landwirtschaft“ präsentiert deutliche Ergebnisse. Massenhafter Antibiotikaeinsatz in der industriellen Intensivtierhaltung, übermäßige Nitratbelastung des Trinkwassers durch Düngemittel: Viele Praktiken der industriellen Landwirtschaft verursachen immense „verdeckte Kosten“ aufgrund ihrer negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt, die aber in den Preisen, die wir für unsere Lebensmittel bezahlen, nicht oder nur ungenügend abgebildet werden. Was es mit den Folgekosten aufgrund von Antibiotikaresistenzen und Nitrat-/Stickstoffbelastung auf sich hat, das stellten die Wissenschaftler auf der Pressekonferenz am 15.09.2016  in München vor:

„Bezüglich Antibiotikaresistenzen ist die Informationslage völlig unzureichend: Es gibt keine Meldepflicht, keine Transparenz: Wie viele mit multiresistenten Keimen aufgrund der Intensivtierhaltung Infizierte es tatsächlich gibt, kann niemand genau sagen – denn die Daten werden kaum erfasst“, erläutert M.Sc. Paulina Simkin von der Universität Augsburg. Viele Infektionen bleiben unentdeckt, da für Risikogruppen mit landwirtschaftlichem Tierkontakt keine Untersuchung verpflichtend ist. Es war den Wissenschaftlern der Universität Augsburg nicht möglich, exakte Aussagen über die gesellschaftlichen Folgekosten von Antibiotikaresistenzen aus der industriellen Intensivtierhaltung zu treffen.

„Ein Skandal“, findet Dr. Gerd-Ludwig Meyer, Humanmediziner und Mitbegründer der Initiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“: „Factory Farming ist eines der größten Verbrechen in der Geschichte” titelte `The Guardian` vor einiger Zeit. Nach Veröffentlichung der letzten Verbrauchszahlen, insbesondere von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung, stimme ich diesem Satz zu. Eine Zivilgesellschaft, die einen Kollateralschaden von 20.000 – 40.000 Toten als Preis für die Produktion von Billigfleisch toleriert, ist obszön und nicht mehr meine. Reserveantibiotika sind erfunden worden, um Menschenleben auf Intensivstationen zu retten und nicht, um Billigfleisch zu produzieren. Wir, die Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung, fordern als erste Maßnahme ein sofortiges Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung!“

Auch beim Thema Nitrat-/Stickstoffbelastung gab es ein überraschendes Ergebnis: Den Berechnungen der Universität Augsburg zufolge ergeben sich für Deutschland allein durch die Nitrat-/Stickstoffbelastung externe Folgekosten von über 10 Milliarden Euro jährlich. Darunter fallen zum Beispiel die Kosten für die Reinigung des Trinkwassers oder Kosten des Gesundheitssystems durch Folgeerkrankungen. Dies ist, beispielsweise gemessen an der Bruttowertschöpfung der gesamten deutschen Landwirtschaft (17,40 Mrd. Euro in der Saison 2014/15), ein sehr großer Betrag.
Dr. Tobias Gaugler von der Universität Augsburg fasst zusammen: „Wenn die Folgekosten, insbesondere der konventionellen Nutztierhaltung, auch weiterhin unzureichend Eingang in die Preise finden, fördert das die Überproduktion sowie den Konsum hieraus resultierender Nahrungsmittel. Diese Form von Marktversagen lässt außerdem nachhaltig(er) erzeugte Lebensmittel teuer erscheinen und führt letztlich zu einem ökonomischen Wohlfahrtsverlust! Anders gesagt: Aus volkswirtschaftlicher Sicht handelt es sich um eine erhebliche Preis- und Marktverzerrung.“

Laut Dr. Anita Idel, Tierärztin, Mediatorin und Lead-Autorin im Weltagrarrat, braucht es eine neue Vision des Landwirtschaftssystems, um diese negativen Folgen zu vermeiden: „Das Potential der Ökologisierung der Landwirtschaft ist noch weit größer! Aber jährlich fließen Millionen zur Schadensbegrenzung in die Forschung, die die weitere Intensivierung zementiert. Stattdessen gilt es, innovativ zu erforschen, wie Tiere aktiv in der Freilandhaltung zu einer natürlichen Düngung beitragen können. Genau so sind viele Böden entstanden!“